Neukölln vs. Mobilitätsgesetz?
Ein Kommentar zum radfahrenden Ausschuss für Straßen, Grünflächen und Ordnung (SGO) am 12. September 2018
von Helmut Große-Inkrott
Einmal im Jahr befährt der SGO eine vom ADFC Neukölln vorgeschlagene Strecke mit dem Rad ab. Im Anschluss wird an geeigneter Stelle die Sitzung abgehalten. Die Aktivist*innen vom Neuköllner ADFC haben auch in diesem Jahr Ortskenntnis und Sachverstand bewiesen (vielen Dank dafür!) und eine Strecke mit großen und kleinen Problemstellen erarbeitet. Diese zeigte einen guten Querschnitt durch die Radverkehrsprobleme im Bezirk. Verblassende Fahrbahnmarkierungen, zu eng stehende Drängelgitter, plötzlich endende Radwege, zu wenig Abstellbügel vor den Gropiuspassagen und zugeparkte Mauerradweg-Übergänge usw. Richtig erkannt, dieses Jahr wurde der Neuköllner Süden befahren. Zwei benachbarte Stopps zeigen die Schwerfälligkeit und Inkonsequenz des Handelns im Bezirk auf.
Steinträgerweg Kreuzung Joachimstaler Chaussee und Buckower Damm 186-190
Der Steinträgerweg (Karte), eine Einbahnstraße, sollte gemäß BVV-Beschluss für Radfahrende gegenläufig befahrbar freigegeben werden. Eine Prüfung der Straßenverkehrsbehörde ergab: zu gefährlich. Wenn hier motorisierter Individualverkehr (MIV) von der Johannistaler einbiegt, rechnet niemand mit den Radfahrenden und zu wenig Platz ist es auch. Die Möglichkeit einen geschützten Radweg gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraße anzulegen und hierfür die Parkplätze wegfallen zu lassen, wird nicht geprüft. Stattdessen sieht man Probleme im Kreuzungsbereich und spricht davon die gesamte Kreuzung umbauen zu müssen.
h3>600 Meter weiter: Radweg endet „abrupt & sportlich“ auf der Fahrbahn des Buckower Damms (Karte)
Netterweise verhindern kurz vor diese Stelle parkende Fahrzeuge jegliche Sichtbeziehung. Hier ist Handlungsbedarf, da ist man sich schnell einig, aber eine Fahrbahn für den MIV sperren, nein, das wird wohl nicht möglich sein. 200 Meter weiter kommt eine Rechtsabbiegespur…! Ok, die parkenden Autos müssen weg, vielleicht reicht es ja wenn zwei Parkplätze verschwinden? Alle Stellplätze und den Radweg am Beginn des jetzigen Parkstreifens mit fünf Stellpätzen geschützt auf die Fahrbahn führen… Wohl eher nicht – erscheint doch zu aufwendig.
Fazit: Die Forderungen des Mobilitätsgesetzes sind in den Köpfen des Bezirkes noch nicht angekommen oder werden noch verdrängt. An die noch vor Kurzem propagierte Nebenrouten-Strategie scheint man sich nicht mehr zu erinnern. Hier wäre der Steinträgerweg als Nebenroute für den Buckower Damm sinnvoll. Ob es nun schnell eine Lösung für die Gefahrenstelle am Buckower Damm gibt, wird sich erweisen müssen. Die Radverkehrsplaner*innen im Bezirk sind nicht zu beneiden anhand der Aufgabenfülle und bedürfen jeglicher Unterstützung. Von ihnen werden „Wunder“ erwartet, hier gilt es mit Bedacht abzuwägen. Jahrzehnte der politischen Versäumnisse können auch Sie nicht bis morgen abarbeiten. Verwaltung und Politik müssen sich mehr bewegen, um die neu gestellten Anforderungen des Mobilitätsgesetzes zur Kenntnis zu nehmen und umsetzen. Die BVV ist überlastet, hier schlägt die unsägliche Verzögerungstaktik der letzten Monate durch die AfD voll durch.
Gibt es Anlass zur Hoffnung?
Wünschenswert ist, dass der Bezirk, nachdem er schon bei der Einstellung der Radverkehrsplaner*innen schnell war, nun auch in Sachen Mobilitätsgesetz vorweg schreitet. Neukölln hat das Potenzial, Veränderungen herbeizuführen, die berlinweit Vorbildcharakter haben können. Es muss nur angepackt werden. Der Bezirk der so oft als Negativbeispiel herhalten muss, sollte diese Chance ergreifen. Hierzu muss neben der eigenen Verwaltung, die neue InfraVelo und die Verkehrslenkung Berlin in die Pflicht genommen werden. Herrn Bürgermeister Hikel übernehmen Sie!
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