Interview mit Johanna Appelhans vom Umweltbundesamt zu den Gefahren von Feinstaub und Co

Johanna Appelhans  ist Expertin für Luftreinhaltung im Umweltbundesamt

NFN: Was löst diese Feinstaubbelastung aus und welche Einflussfaktoren wie das Wetter, die Jahreszeit oder der Verkehr spielen hier eine Rolle?

Appelhans: Es gibt viele verschiedene Feinstaubquellen. Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein (Beispiele für natürliche Quellen sind Vulkane, Bodenerosion oder Wald- und Buschbrände) oder vom Menschen verursacht werden. Feinstäube, die direkt ausgestoßen werden, z.B. bei Verbrennungsprozessen, nennt man primäre Feinstäube. Feinstaubpartikel bilden sich aber auch durch komplexe chemische Reaktionen in der Atmosphäre aus verschiedenen Vorläuferstoffen (u.a. aus Stickstoffoxiden, Ammoniak oder Schwefeldioxid); man bezeichnet sie dann als sekundäre Feinstäube. Die wichtigsten vom Menschen geschaffenen Feinstaubquellen sind der Verkehr (v.a. Dieselfahrzeuge), Öfen und Heizungen in Haushalten (z.B. Holzfeuerungen), Industrieprozesse, große Kraftwerke aber auch die Landwirtschaft.

In der Regel bleibt Feinstaub nur wenige Tage in der Luft bevor er z.B. durch Niederschlag wieder aus der Atmosphäre entfernt wird. Bei bestimmten (austauscharmen) Wetterlagen, kann sich Feinstaub aber über einen längeren Zeitraum in der Atmosphäre anreichern. Die Feinstaubbelastung ist – auch bedingt durch das Heizen – oft im Winter etwas höher als in den anderen Jahreszeiten.

Welche Gefahren gehen von Feinstaub aus, und wer ist besonders gefährdet?

Appelhans: Es ist erwiesen, dass sich das Einatmen von Feinstaub negativ auf die menschliche Gesundheit auswirkt. Je kleiner die Staubpartikel sind, desto gefährlicher sind sie, denn kleinere Partikel dringen tiefer in die Atemwege vor als größere. Sehr kleine Partikel (sogenannte Ultrafeine Partikel) können über die Lungenbläschen in die Blutbahn vordringen und sich über das Blut im Körper verteilen. Sie können im Körper Entzündungen, Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen hervorrufen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat festgestellt, dass es keine Feinstaubkonzentration gibt, unterhalb derer keine schädigende Wirkung zu erwarten ist. Die Feinstaubbelastung sollte deshalb so gering wie möglich gehalten werden.

Besonders gefährdet sind vor allem Menschen mit Vorerkrankungen (Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen).

NFN: Wie ist die räumliche Verteilung von Emissionen auf der Straße? Ist es als Fahrradfahrer auf der Fahrbahn besonders gesundheitsschädlich? Was ist mit Kindern im offenen Anhänger? Wie ist die Belastung im Vergleich dazu im Auto?

Appelhans: In der Regel gilt: Je weiter man sich von der Emissionsquelle (z.B. vom Auspuff) entfernt, desto geringer ist die Belastung. Die Belastung dürfte im Auto ähnlich hoch sein wie auf dem Fahrrad. Kinder (z.B. im Fahrradanhänger) sind sicherlich mehr gefährdet, da sie näher an der Emissionsquelle sind.

NFN: Welche Maßnahmen führt der Bezirk derzeit durch, um die Feinstaubsituation zu verbessern? Welche Maßnahmen könnte der Bezirk darüber hinaus kurz-, mittel- und langfristig ergreifen?

Appelhans: Wenn die festgelegten Feinstaubgrenzwerte überschritten sind, müssen die betroffenen Städte und Kommunen sogenannte Luftreinhaltepläne aufstellen, in denen sie Maßnahmen benennen, mit denen sich die Belastungen mindern lassen.

Der aktuelle Luftreinhalteplan 2011-2017 der Stadt Berlin (zuständig für die Erstellung des Plans ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt) ist unter dem folgenden Link zu finden: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalteplan/

Es gibt eine Vielzahl von (lokalen) Maßnahmen, die eingesetzt werden können um die Feinstaubbelastung weiter zu mindern. Einige Beispiele sind eine weitere Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Personennahverkehrs und des Rad- und Fußgängerverkehrs, Durchfahrtsverbote für Lkw in hochbelasteten Straßen, möglicherweise Geschwindigkeitsbegrenzungen und verkehrslenkende Maßnahmen (z.B. Verkehrsleitsysteme, grüne Welle). Neben dem Verkehr gibt es aber auch weitere Feinstaubquellen, z.B. Öfen und Heizungen in Haushalten, Industrieanlagen oder Baumaschinen. Hier gibt es einige bundesweite oder EU-weite Regelungen, die den Ausstoß von Feinstaub aus diesen Anlagen bzw. Maschinen begrenzen, z.B. die 1. Bundes-Immissionsschutzverordnung (1. BImSchV), die Grenzwerte für kleine Feuerungsanlagen setzt.

Grundsätzlich gilt: Welche Maßnahmen für die jeweilige Stadt oder Kommune geeignet sind, ist immer im Einzelfall zu entscheiden, da hier lokale Gegebenheiten (z.B. die Infrastruktur) eine wichtige Rolle spielen. Maßnahmen müssen also für jede Stadt „maßgeschneidert“ werden.

NFN: Gibt es für Anwohner oder Nutzer des Straßenraumes eine Möglichkeit, sich rechtlich gegen diese alltägliche Gesundheitsgefährdung zu wehren?

Appelhans: Betroffene Bürgerinnen und Bürger können grundsätzlich Maßnahmen zur weiteren Minderung der Schadstoffbelastung bei Gericht einklagen. Mittlerweile haben schon einige Bürgerinnen und Bürger Klagen eingereicht, z.B. in Stuttgart und München.

NFN: Neben den Feinstäuben gibt es ja noch weitere verkehrsbedingte Schadstoffemissionen, etwa die aktuell viel diskutieren Stickoxide. Sind diese ähnlich gesundheitsgefährdend? Wie sieht da die Situation in Neukölln aus?

Appelhans: Stickstoffdioxid, vor allem aus Autoabgasen, ist aktuell die größte Herausforderung für die Städte, so auch für Berlin. Der Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ wird an mehr als 60% aller verkehrsnahen Messstationen in Deutschland überschritten, in Berlin sogar an allen verkehrsnahen Messorten. Stickoxide gefährden die Gesundheit. Insbesondere Asthmatikern machen sie zu schaffen, da sich eine Bronchienverengung einstellen kann, die zum Beispiel durch die Wirkungen von Allergenen noch verstärkt werden kann. Stickoxide können aber auch Pflanzen schädigen und tragen zur Versauerung der Böden bei.

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