Hauptsache dem Auto nicht in die Quere kommen
Es ist Wahlkampf und wir haben die (in der BVV vertretenen) politischen Parteien gefragt, was sie zu den verschiedenen fahrradpolitischen Themen denken. Kein Wunder, dass sich viele Antworten erstmal gut anhören. So wie beispielsweise das verkehrspolitische Mantra der CDU, die möchte, dass Fahrradfahrende vor dem Autoverkehr geschützt werden. Klingt gut – meint aber: Radfahrende runter von den großen Straßen. Ebenso die SPD, die in vielen Antworten auf den in der Berliner Radverkehrsstrategie für jeden Bezirk vorgesehen „Fahr-Rat“ verweist, in dem Politik, Verwaltung und engagierte Bürger*innen die Radverkehrsprobleme diskutieren sollen. Dabei ist der Hinweis auf ein Gremium, das der Neuköllner SPD-Verkehrsstadtrat trotz mehrfacher Aufforderung durch die Verkehrsverbände in den letzten Jahren nicht einberufen hat, noch kein politisches Programm. Eher eine Verschleierung dessen, was die Politik in Neukölln unter ihrem Stadtrat in den letzten zehn Jahren vorangetrieben hat: Fahrradinfrastruktur nur da, wo sie dem Auto nicht in die Quere kommt. Und das bedeutet fast nirgendwo in Nord-Neukölln, wo es urban ist, wo Menschen ohne Auto leben und wo es auf dem Rad besonders unsicher ist. Also da, wo es nötig wäre.
Mögliche Kluft zwischen Ankündigung und Realität
Und dann gibt es noch die Themen, bei denen jede Partei theoretisch dafür ist, aber wenn es konkret wird, irgendwie doch nicht. So hatten alle Parteien eine relativ positive Antwort zu der Brücke über den Britzer Zweigkanal, die (nicht nur) für einen Radschnellweg nach Kreuzberg/Treptow/Rixdorf unabdingbar ist. Die Linke (auch Grüne und Piraten waren positiv) stellte dazu in diesem Sommer einen Antrag, in dem lediglich die Unterstützung dieser Sache auf Senatsebene gefordert wurde. Dies wurde jedoch mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt. Dieses Beispiel zeigt, mit welcher Vorsicht diese Antworten genossen werden müssen und wie sehr Ankündigung und Realität auseinander klaffen können. Auch die Bereitschaft etwas gegen die hohen Feinstaubwerte in Neukölln zu tun, wurde in den Antworten von allen Parteien genannt. Auch da lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Obwohl dieses Problem schon länger besteht, haben CDU und SPD sich bisher jeglicher bezirklichen Verantwortung verweigert. Anträge, um beispielsweise mit Hilfe eines kommunalen Klimaschutzkonzeptes auch an Bundesmittel für eine nachhaltigere Stadtentwicklung und Gebäudesanierung zu kommen, wurden von beiden Parteien abgelehnt.
Prioritäten kann man erkennen, Menschen können sich ändern
Eine echte fahrradpolitische Wahlempfehlung müsste daher vor allem eine Analyse der bisherigen fahrradpolitischen Initiativen und Anträge in den letzten fünf Jahren beinhalten. Zudem lohnt sich vielleicht ein Blick in die Prioritätenliste der Parteien, also welche Partei schreibt an welcher Stelle wieviel (Konkretes) zu diesem Thema in ihr Neuköllner Wahlprogramm. Unser Eindruck ist, die in der Grafik genannte Rangfolge kommt da schon ganz gut hin (Grüne 94%, Piraten 80%, Linke 78%, SPD 56% und CDU 53%). However, es gibt viele Themen, die wichtig sind und Parteien bestehen aus Personen und die (mit ihren verkehrspolitischen Konzepten) können sich ändern – auch das muss bedacht werden! Wir, jedenfalls, bleiben parteipolitisch neutral und streiten weiter ganz für die Sache – für ein soziales Miteinander auf der Straße ohne Lärm und Abgase!
Wer alles noch einmal ganz genau nachlesen möchte, finde unsere 20 Fragen und die Antworten der Fraktionen bei unseren Projekten unter Wahlprüfsteine.